Wine & Dine bei Sören Anders, Mai, November und Dezember 2013, Karlsruhe
Mittlerweile habe ich zweimal auf dem Turmberg im „Anders Superior“ gespeist und habe zudem Sören Anders Diner-Show „Crazy Palace“ genossen.
Über das Anders auf dem Turmberg zu schreiben, macht Spaß, ist aber nicht ganz einfach. Das liegt mit Sicherheit nicht daran, dass es über das Turmberg-Restaurant und seine Küche nichts zu schreiben gäbe. Es liegt vor allem daran, dass es wohl, wie kaum ein anderes Gourmetrestaurant in Deutschland, geprägt wird von der Persönlichkeit seines Kochs, Sören Anders.
Anders hat seinen Namen zum Programm gemacht: Das „Anders Superior“ auf dem Durlacher Turmberg ist in mancher, nicht in jeder, Hinsicht anders als die meisten Spitzenrestaurants, sein Koch ist es in jedem Fall.
Einen Mangel an Selbstbewusstsein kann man dem 28jährigen Spitzenkoch sicher nicht vorwerfen. Hoch über dem mittelalterlichen Stadtteil Durlach ragt der Turmberg auf, Karlsruhes höchste Erhebung. Höher hinaus geht es in Karlsruhe nicht und Sören Anders hat zielstrebig und ehrgeizig alles getan, um dort oben anzukommen. Heute prangt deutlich sichtbar das Anders auf dem Turmberg über der Stadt.
Er hat auch gar keinen Grund sich zu verstecken. Gelernt hat er bei den Sterneköchen Sackmann, Thieltges und Bühner und zusätzlich noch seinen Meister an der Hotelfachschule Heidelberg aufgesattelt.
Ab 2010 erkochte er sich im renommierten Karlsruher Restaurant „Oberländer Weinstube“ einen Stern. Mit 24 Jahren war er damit der jüngste deutsche Sternekoch. Seitdem tummelt er sich auch außerhalb seiner Restaurantküche mit Gastauftritten in Fernsehsendungen.
Sören Anders als umtriebig zu bezeichnen ist ungefähr so, als würde man Wasser als nass bezeichnen. Kaum läuft es im ’neuen‘ Turmberg, schon liegt das nächste Projekt an: „Crazy Palace“, eine Diner-Show à la Pallazzo mit Artistik, Comedy, Musik und einem wahlweise klassischen oder vegetarischen 4-Gang-Menü. Das ganze fand in einem Zelt von November 2013 bis einschließlich Januar 2014 statt.
Und natürlich darf auch ein Kochbuch nicht fehlen. „Anders Kochen“ erschien rechtzeitig zur Diner-Show im November 2013.
Seit Juli 2012 hat er die Leitung des Turmberg-Restaurant von der Familie Klenerts übernommen. Ein Teil des Restaurants mit maximal 24 Plätzen wurde abgetrennt und fungiert nach der Umgestaltung als Gourmetbereich „Anders Superior“.
Der größere Teil des ehemaligen „Klenerts“ und die Außenterrasse mit der wunderbaren Aussicht auf Karlsruhe und die Rheinebene bis hinüber zum Pfälzer Wald wird als „Turmberg Brasserie“ weiterbetrieben.
Mit den beiden Restaurants deckt Anders geschickt zwei Klientelen ab:
Das klassisch bürgerliche Klientel des ehemaligen „Klenerts“, die für solide, aber nicht eben herausragende Küche und für die schöne Aussicht bereit waren einen etwas höheren, aber nicht zu hohen Preis zu bezahlen.
Und das Klientel der Gourmets, die bereit sind Spitzengastronomie auch entsprechend zu honorieren.
Am liebsten hätte Anders noch einen dritten Bereich, ein klassisches Wirtshaus, um auch das Basissegment mit guter, solider bürgerlicher Küche abzudecken.
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Perspektive hat es sicherlich nicht geschadet, dass die „Oberländer Weinstube“, von der sich Anders im Mai 2012 getrennt hatte, im Mai 2013 geschlossen und erst im Oktober wieder eröffnet wurde, allerdings ohne Stern. Auf der einen Seite schade, denn damit ging eine kulinarische Institution in Karlsruhe zu Ende. Auf der anderen Seite ist erfreulich, dass mit Jörg Hammer ein guter Koch die Oberländer Weinstube übernommen hat und dass Sören Anders Karlsruhe erhalten geblieben ist. Auf dem Turmberg kocht er seitdem vollständig von den Zwängen ehrwürdiger Tradition befreit, herzerfrischend und mit einer Lust auf, die geradezu ansteckend ist.
Das sahen wohl auch die Tester des Guide Michelin so, die sein „Anders Superior“ bereits nach wenigen Monaten Betrieb wieder mit einem Stern versahen [1]. Und auch der Gault Millau vergibt 17/20 Punkten.
3. Mai 2013, Anders Superior:
Genug der langen Vorrede. Was kommt auf den Teller?
Auf eine Punktebewertung (Essen, Wein, Kombi) habe ich am 3. Mai und bei der Diner-Show verzichtet, da stand die Unterhaltung mit Freunden, bzw. die Show im Vordergrund.
Sören Anders versucht alles auf die Spitze zu treiben. Als Signatur kann man wohl seine Vorliebe für kontrastreiche Amuse Gueules ansehen. Sowohl am 3. Mai als auch 16. November hatten wir ein 5-Gang-Menü, das durch die doppelte Anzahl an Amuse Gueules aufgestockt wurde.
- Minibrötchen mit dreierlei Butter (Salz-, Cambertischinken- und Nussbutter)
- Grisinistangen mit Cambertischinken
- Gebackene Froschschenkel auf Petersilienpürree und Speckschaum
- Aal und Rote Beete, Austern auf Sellerieschaum und Rindertartar mit Zwiebelschaum
- Wachtelei mit Spargelspitzen und Lauchcreme
- Hummer mit Passionsfruchtschaum
- Vitello Tonnato mit Kaviar, Meerrettich und Kapern
- Jakobsmuschel mit Carbonarasoße
- Langustine im Salatbett
- Limettensorbet mit Gurke, Dill und Gin
- Heilbutt mit Kaninchensoße
- Feines vom Kalb (Filet, Ragout, Bries, Klabsschwanzpralinen)
- Käseplatte
- Pomelosüppchen mit Kokoseis
- Fruchtiges Desert mit karamelisierter Ananas
- Schichttorte mal Anders
- Pralinen und Trüffel vom Desertwagen
- Und nach dem Menü gab es noch Trüffel, die sogenannten Turmbergsteine, als Wegzehrung zum Mitnehmen.
Aus der Weinkarte haben wir uns drei Weine als Begleitung ausgesucht:
- 2011 Weißburgunder Alte Reben, Kopp
- 2011 Spätburgunder „Franz Anton“, Schwarzer Adler
- 2011 Gewürtraminer Auslese, Klumpp
Besonders gut gefallen haben mir Aal und Rote Beete, eine exzellente Kombination, auf die ich spontan selbst nicht gekommen wäre.
Perfekt auch das Vitello Tonnato, bei dem die Würzigkeit der Kapern und die dezent eingesetzte Schärfe des Meerrettich hervorragend mit dem Kalbfleisch harmonierten.
Einen erfrischenden Kontrapunkt setzte das Limettensorbet mit Gin, Dill und Gurke.
Ich bin ein großer Freund von Jakobsmuscheln und war deshalb sehr gespannt, als dieses Amuse Gueule serviert wurde. Als Kontrast war die Carbonarasoße mutig. Zu mutig, weil sie den feinen Geschmack der Jakobsmuschel nahezu vollständig überdeckte.
Auch der die Langustine begleitende Salat hätte etwas weniger Anis vertragen können.
Sören Anders zeigt in seinen Kombinationen Mut und ohne diesen Mut keine Überraschungen. Allein der Aal mit Roter Beete hätte den Gang hinauf zum Turmberg gerechtfertigt. Insgesamt ein sehr gelungener Antrittsbesuch.
16. November 2013, Anders Superior
Diesmal habe wir das Weinarrangement zum 5-Gang-Menü genommen.
Den Schwerpunkt der Weinkarte bilden deutsche Weine. Das erweitere Karlsruher Umland mit badischen, württembergischen und Pfälzer Kredenzen ist stark vertreten. International ist die Auswahl beschränkt, aber klug zusammengestellt. Es fehlen allerdings die ganz großen Namen und die wirklich gereiften, älteren Jahrgänge.
Wir hatten zum Teil unterschiedliche Gänge. Ich habe alle probiert und deren Bewertung ebenfalls aufgeführt.
Appetithäppchen:
Minibrötchen mit Salz-, Cambertischinken- und Nussbutter (89)
Kalbsleber auf Graubrot mit Liebstöckelgel und Senfeis (93)
Auster in Holundergel (90)
Sardine mit geeistem Gazpacho (95), Pulosalat mit rotem und weißem Tomatenschaum (93), Rindertartar mit Zwiebelcreme (94)
Stabmuschel (94), Weinbergschnecke (90) und Muschelpraline (95)
Pfifferlingsravioli mit Wildessenz und Sellerieschaum (95)
Wein: 2012 Müller-Thurgau, Gleichenstein, Abfüllung für Sören Anders, Baden
Wein: 84, Speise: 92, Wein-Speise-Kombi: 89
Großes Kino die Sardine und die Pfifferlingsravioli. Der Müller-Thurgau macht sich als Speisenbegleiter für die Mehrzahl der Amuse Gueules ganz gut. Er hatte es allerdings schwer gegen das Rindertartar und die Wildessenz zu bestehen.
1. Gang: Langustine mit Ochsenschwanzragout, Aprikose und Estragoneis
Wein: 2012 „Duett“, Sauvignon Blanc & Riesling, Metzger, Pfalz
Wein: 88, Speise: 89, Wein-Speise-Kombi: 88
Die Langustine, das Ochsenschwanzragout, jeder Teil für sich, sehr gut, zusammen aber nicht ganz stimmig. Aprikose und Estragoneis passen hervorragend zur Langustine, zum Ochsenschwanzragout passen sie nur bedingt. Das trifft auch auf den Wein zu, der sich nicht so recht mit dem Ochsenschwanz anfreunden kann.
2. Gang: Rotbarbe mit Petersilienschaum und Meeresfrüchteespuma
Wein: 2012 Weißer Burgunder ***, Alexander Laible, Baden
Wein: 88, Speise: 95, Wein-Speise-Kombi: 94
Der Weißburgunder hatte genügend Kraft, um der Rotbarbe Paroli bieten zu können.
2. Gang: Jakobsmuschel mit Tobinambur und Mandarine
Wein: 2012 Roter & Gelber Muskateller, Schembs, Rheinhessen
Wein: 88, Speise: 90, Wein-Speise-Kombi: 91
Stimmige Kombination, wobei die fruchtige Komponente der Mandarine den leicht salzig-nussigen Geschmack der Jakobsmuschel unterstreicht und nicht überdeckt. Passend dazu der fruchtige, aber nicht zu expressive Muskateller.
Appetithäppchen: Limettensorbet mit Gurke, Dill und Gin
Gin: Monkey 47, Schwarzwald Dry Gin, Black Forest Distillers, Baden
Gin: 92, Speise: 90, Wein-Speise-Kombi: 92
Der ‚Affe‘ hat es in sich, sehr mild und aromatisch und eine geniale Kombination mit dem Sorbet!
3. Gang: Reh, Rote Beete und Schwarzbrot
Wein: 2011 „Black Print“, Cuvee aus St. Laurent, Merlot, Syrah, Cabernet Sauvignon und Cabernet Dorsa, Markus Schneider, Pfalz
Wein: 84, Speise: 96, Wein-Speise-Kombi: 92 (94 mit dem Spätburgunder)
3. Gang: Kalb hoch 2 mit Schalotten und Schwarzwurzel
Wein: 2009 Spätburgunder, R. & C. Schneider, Baden
Wein: 86, Speise: 92, Wein-Speise-Kombi: 92 (90 mit dem „Black Print“)
Beide Gerichte makellos, wobei der Spätburgunder sowohl zum Kalb als auch zum Reh besser passte.
4. Gang: Käseplatte
Wein: 2012 Gewürztraminer Auslese, Metzger, Pfalz
Wein: 86, Speise: 93, Wein-Speise-Kombi: 90
Bis auf den Blue d’Auvergne war der Gewürztraminer mit seiner moderaten Süße ein sehr angenehmer Begleiter. Zum Blauschimmelkäse hätte ein deutlich süßerer Wein besser gepasst.
5. Gang: Wie eine Birne Helene und doch ganz Anders
Wein: 2009 Deidesheimer Grainhübel Riesling Auslese, Dr. Deinhard, Pfalz
Wein: 87, Speise: 88, Wein-Speise-Kombi: 90
Obwohl ganz verschiedene Konsistenzen und Geschmacksnuancen auf dem Dessertteller vereint waren, war es ein gelungener Gang. Es war die Riesling Auslese, die mit ihrer moderaten Süße ein gelungenes Band herstellte.
Appetithäppchen:
Pomelo-Grapefruit-Süppchen mit Kokoseis (90)
Kuchen, Trüffel und Pralines vom Dessertwagen (88 – 92)
Trüffel „Turmbergsteine“ (90)
Wein: 2009 Deidesheimer Grainhübel Riesling Auslese, Dr. Deinhard, Pfalz
Wein: 87, Speise: 90, Wein-Speise-Kombi: –
Einfach zum Reinsetzen das Pomelo-Grapefruit-Süppchen mit dem Kokoseis. Und auch die anderen süßen Kleinigkeiten waren der Versuchung wert. Aufgrund der zur Auswahl stehenden Vielfalt und der jeweils individuellen Auswahl macht es keinen Sinn die Wein-Speisen-Kombination zu bewerten. Zum Schokoladenkuchen z.B. hätten wir uns besser einen Banyuls oder Port genehmigt.
Insgesamt war das Menü am 16.11. noch einen Tick besser als am 03.05. Das lag u.a. auch daran, dass diesmal Kontraste so gewählt wurden, dass sie sich ergänzen und nicht erschlagen. Am deutlichsten wurde das bei der Jakobsmuschel, bei der die Carbonarasoße am 03.05. die zarte Jakobsmuschel untergehen ließ, und die diesmal sehr angenehm von Mandarine und Tobinambur in ihrer leicht salzig-nussigen Art unterstützt wurde. Selbst bei der Langustine mit dem Ochsenschwanzragout merkte man den Versuch den Kontrast nicht zu einem Totschlagargument werden zu lassen.
Fazit: Steile Lernkurve und wenn auch noch die Weinauswahl nachzieht, sollte ein zweiter Stern durchaus in greifbarer Reichweite liegen.
„Crazy Palace“ Diner-Show, 1. Dezember 2013
Die Medienresonanz auf die Ankündigung der Diner-Show war groß und positiv. Überwiegend wurde sie als eine herbstlich-winterliche, weihnachtszeitliche Bereicherung des Karlsruher Event-Kalenders empfunden. Die Show wurde mit großer Präsenz von Werbeplakaten in Karlsruhe und Umgebung beworben.
Der Vergleich von Sören Anders „Crazy Palace“ mit Harald Wohlfahrts „Palazzo“ liegt nahe, das Konzept und die Umsetzung in einem Event-Zelt sind gleich. Zumal Karlsruhe und Mannheim ja nicht so weit voneinander entfernt sind.
Unterschiede gibt es dennoch. „Palazzo“ ist drei- oder viermal so groß angelegt. Ob es einen großen Unterscheid macht für 250 oder 1000 Personen zu kochen, die alle gleichzeitig Essen wollen, kann ich nicht beurteilen. Kulinarisch hat Sören Anders mit seinem „Crazy Palace“ eindeutig die Nase vorn. Es ist zwar eine deutlich abgespeckte Version, aber das Niveau liegt nicht weit unterhalb des Sterns.
Anders sieht es bei der Show aus. Das „Crazy Palace“ bot für den sehr begrenzten Bühnenplatz eine ganz hervorragende Show. Im „Palazzo“ war Dank des größeren Zeltes nicht nur mehr Platz für die Bühne, auch die Artisten waren internationale Spitze. Hier hat das „Palazzo“ eindeutig die Nase vorn.
Hier ein Link zu meinem Besuch bei Harald Wohlfahrts „Palazzo“ (facebook).
Wer sich die Fotos vom „Crazy Palace“ auch auf facebook ansehen möchte, findet sie hier.
Bleibt zu hoffen, dass das „Crazy Palace“ in Karlsruhe zu einer regelmäßigen Einrichtung wird. Eine bessere und verhältnismäßig günstige Gelegenheit an Sterneküche mit viel Spaß herangeführt zu werden, gibt es im weiten Umkreis nicht!
Text und Fotos: Joachim Kaiser
11.-13.02.2014: Text komplett überarbeitet und ergänzt.
[1] Aktualisierung 2015: Sören Anders hat mittlerweile sein Konzept umgestellt. Den „Anders Superior“ Sterne-Küche-Bereich gibt es nicht mehr, sondern nur noch einen einheitlichen Gastraum. Die Anzahl der Amuse Gueules hat er auf ein wirtschaftlich vernünftiges Maß zurück gefahren. Konsequenterweise hat er dadurch seinen Michelin Stern verloren. Die Qualität der Küche hat darunter nicht gelitten. Die ist nach wie vor auf Sterneniveau.