Weinwichteln 2012


Weinrallye 58: Weinwichteln

Das war eine prima Idee von Thomas Lippert, weil er aus einem Horrorszenario – Weihnachtswichteln – etwas Originelles und Spannendes – Weinwichteln – kreiert hat.

Ich habe auf jeden Fall mit großer Neugierde und Spannung meinen Wichtel-Wein erwartet. Zugeschickt hat ihn mir Susa, Susanne Werth-Rosarius, vom Blog „hunderachziggrad°“. Hurtig das Päckchen ausgepackt und die Überraschung ist perfekt. Eine Karte mit sehr freundlichen Weihnachtsgrüßen und ein kleines Säckchen mit selbstgemachten Trüffel begleiten den Wein!

2010 Mercurey „La Brigadière“, François Raquillet, AC Mercurey, 13%

Ein weißer Burgunder aus Mercurey, spannend, weil in der Appellation 90% Rotwein aus Pinot Noirs erzeugt wird. Die Flasche einige Tage im Klimaschrank ruhen lassen, zwei Freunde eingeladen, einer ein ausgesprochener Fan großer weißer Burgunder und eine reine Spaßweintrinkerin, ein ausgesuchtes Assortiment an Käsen, Salami, Pasteten, Pasten, eingelegte Shrimps, usw. bereitgestellt. Und es kann losgehen:

N: Reifer, mürber Apfel, unterlegt von einer ganz leichten, sehr dezenten erdigen Note
M: Zunächst ebenfalls Apfel, dann dezent Quitte und ein Hauch an Honigmelone, gute Balance zwischen Frische und Schmelz, mittel gewichtig mit schönen Trinkfluss.
B: Ein lebendiger Wein, unkompliziert zu trinken, vor allem für einen weißen Burgunder, aber eben nicht trivial. Gewisse Tiefe und Eleganz, aber ohne dick aufzutragen.
Deutlich wird dies am zweiten Tag. Mit Luft entwickelt der Wein zusätzliche eine deutliche Kräuterwürze, die schon fast an exzellente Silvaner erinnert.
Am dritten Tag, es war nur noch eine kleine Pfütze übrig, lässt der Wein nach, er wirkt etwas flach im Vergleich zu den vorherigen Tagen, ist aber noch gut trinkbar.

Ein echter Spaßwein und ein richtig guter dazu. Hervorzuheben ist insbesondere die exquisite Balance zwischen Frische und Schmelz, die den doch noch relativ jungen Wein schon jetzt zu einem großen Genuss macht. Zur Frische und zum Schmelz trägt sicher auch bei, dass der Wein nicht zugeholzt ist. Wenn er überhaupt neues Holz gesehen hat, dann sehr moderat, so dass sich sein Einfluss eher indirekt bemerkbar macht (Struktur und Körper, Kräuterwürze). Als Begleiter passte er zu einer großen Anzahl von Käsen, Pasteten und Pasten. Ganz hervorragend zu den in einer Orangen-Senf-Soße eingelegten Shrimps. Weniger gut zu richtig kräftiger Wildschwein- oder Esel-Salami.

Susa schreibt, dass der Wein rustikaler als die großen, weißen Nachbarn sei. Das ist sicher richtig, aber ungerecht dem  „La Brigadière“ gegenüber. Dieser Wein wurde sicher nicht erzeugt, um erst nach 10, 20 oder mehr Jahren Reife getrunken zu werden. Hinzu kommt, dass er für einen Burgunder wohl auch moderat bepreist ist.

Meine Mitverkoster und ich waren uns einig: Liebe Susa, wir würden uns freuen, wenn Du von Deiner nächsten Reise ins Burgund ein paar Kisten für uns mitbringen würdest.

Susa kenne ich zwar nicht persönlich, aber von ihren Postings in facebook her. Karl-Josef Thul, dem ich eine Flasche zuschicken soll, kannte ich gar nicht. Kleine Recherche: Winzer in Thörnich an der Mosel und kommt aus einer Winzerfamilie (Homepage des Weinguts), solide Ausbildung in Geisenheim (facebook). Womit kann man einen Moselwinzer überraschen? Riesling aus einem anderen Weinbaugebiet? Burgundersorte oder Silvaner? Rotwein? Ich habe einige Tage hin- und her überlegt und mich dann für einen ungewöhnlichen Rotwein entschieden. Ungewöhnliche Rebsorte, kleines und nahezu unbekanntes Weinbaugebiet, extremes Jahr, junger und unbekannter Winzer aber mit großem Potential:

2003 „LUR UMEA“, Domaine Pascale et Bixintxo Aphaule, 64220 Jaxu, Irouleguy AC, 13.5%

Rebsorte: 100% Tannat, Ertrag: ca. 2.4 t/ha
Boden: Buntsandstein- und Kalkverwitterungsböden
Anbaugebiet: Französisches Baskenland – Irouleguy – mit gerade mal 210 ha
Vergärung und Ausbau: 12 Monate in 25 Jahre alten, gebrauchten Barriques, die Rappen waren in 2003 so reif, dass sie mitvergoren wurden, keine Mikrooxidation, ausschließlich Soutirage, unfiltriert abgefüllt

Lur Umea bedeutet wörtlich aus dem Baskischen übersetzt „Erde Kind“ oder „Erde Gebärmutter“. Frei übersetzt „Erste Geburt“, denn der Wein ist das Erstlingswerk von Pascale Aphaule, einem jungen Winzer, der bei der Domaine Arretxea gelernt hat. Einer meiner Liebslingsweine aus aus dem Jahrgang 2003 aus der Rebsorte Tannat und eine der letzten Flaschen, die es überhaupt noch gibt.

Ich bin schon sehr gespannt, was mein ‚Wichtel‘ davon hält.

P.S.: Susas Trüffel hatten eine Lebensdauer von gerade mal einen halben Tag. Ich glaube, das sagt alles über deren Geschmack aus.

P.P.S.: Einen guten Rutsch allen Weinfreunden und ein erfolgreiches, zufriedenes 2013

Text und Fotos: Joachim Kaiser