Schweizer Weine


Weinrallye #53: Schweizer Weine, 20.07.2012

Die Schweizer haben es gut. Sie sind geradezu umzingelt von Weinregionen: Baden, Elsass, Jura, Savoyen, Aostatal, Piemont, Lombardei. Und aufgrund ihres Lebensstandards können sich viele Schweizer auch renommierte Weine aus Bordeaux,  Burgund, von der Mosel oder aus Übersee leisten. Die Schweizer trinken gerne Wein,  ca. 37 Liter pro Kopf und Jahr, überwiegend importierten Wein.
Darüber wird, außerhalb der Schweiz, oft vergessen, dass die Schweiz selbst über  wunderschöne Weinbaugebiete verfügt: Tessin, Wallis, Waadt, Genf, Drei-Seen-Land und die Deutschschweiz (Aargau, Bündener Herrschaft, Luzern, Schaffhausen, Zürich, u.a.).  In allen Schweizer Kantonen [1], überall wo Landschaft und Klima es zulassen, wird Wein angebaut. Ins Ausland gelangt er aber selten, denn die Schweizer trinken ihren Wein gerne selbst.
Die Schweiz weist auch eine ganze Reihe hoch interessanter autochthoner Rebsorten auf, wie den würzigen Humagne Rouge, den eleganten Cornalin oder die frische Petite Arvine und brilliert auch bei den internationalen Rebsorten Merlot, Pinot Noir und Chardonnay mit hervorragenden Tropfen.

Alle die ausgezeichneten Schweizer Weine aufzuführen, die ich bisher getrunken habe, würde den Rahmen sprengen. Deshalb nur ein Wein und ein Weingut.
Einer meiner absoluten Favoriten unter den Schweizer Weinen der letzten 10 Jahre ist der 2001er „Eichholz“ Pinot Noir von Irene Grünenfelder, Jenins, Bündner Herrschaft. Zuletzt getrunken 2011 präsentierte er sich strahlend elegant, mit feiner, immer noch fruchtig-duftigem Bukett, fein und frisch im Mund, das in den ersten Jahren dominante Holz ist exzellent integriert, die Tannine seidenweich, langer Abgang.
Das Weingut Saxer, Nussbaumen, Thurgau ist nicht sehr bekannt. Kein Spitzenweingut, aber es erzeugt schöne Alltagsweine mit hohem Spaßfaktor. Ich mag die Weine, weil sie sich frisch und angenehm unkompliziert trinken, aber nicht banal sind, insbesondere die weißen Cuvees.

Das erste Mal bin ich 1968 mit Schweizer Wein in Berührung gekommen. Ich war 15 und mit der ganzen Familie im Urlaub. Als ‚fast Erwachsener‘ gab es schon ein kleines Glas Wein für mich, Dole, Fendant, was wir eben so zum Essen getrunken haben. Aufgefallen ist mir, dass etliche Schweizer Weißweine bereits damals mit Schrauber verschlossen waren. Ich fand ich das komisch und suspekt. Ich haben den ‚Plopp’ vermisst und fühlte mich an Brause erinnert. Für mich passte das vom Gefühl her überhaupt nicht zu den gehobenen Schweizer Restaurants, zu den zelebrierten Speisen, zum stilvollen Ambiente. Aber die Weine waren gut, zumindest haben sie mir damals geschmeckt. Und es war praktisch, die nicht ganz leer getrunkene Flasche problemlos und sicher verschließen und mitnehmen zu können. Daraus habe ich gelernt. Seitdem weiß ich, dass man nicht nur Fusel, sondern auch hochwertige Weine mit Schrauber abfüllen kann und dass der Wein sogar schmeckt.

Ich will hier keine Verschlussdiskussion anfangen. Ich will nur auf eine, wie mir scheint generelle Eigenschaft der Schweizer hinweisen, Winzer und Weinliebhaber bilden da keine Ausnahme, und das ist ihr Pragmatismus.  Trotz Schrauber käme keiner auf die Idee den Schweizern Kulturschande vorzuwerfen oder sie als kulinarische Banausen zu bezeichnen. Heute kann man sagen, dass das nicht nur eine praktische, sondern sogar eine wegweisende Entscheidung war, fast 30 Jahre bevor die hitzige Diskussion um Kork, Glas- und Schraubverschluss so richtig los ging.

Schön, dass es sie gibt, Schweizer Weine!

Text und Fotos: Joachim Kaiser

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[1] Schweizer Weinführer, Swiss Wine (Hsg.), 4. Auflage 2003