Prickelnd schön – Perrier-Jouëts Maison Belle Époque
Belle Époque oder Fin de siècle, wie auch immer man die kriegsfreie Zeit nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 und vor dem Ersten Weltkrieg 1914 bezeichnen möchte, war eine Zeit des enormen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Aufschwungs. Nichts drückt das Lebensgefühl des damaligen gehobenen Bürgertums und des Adels in dieser „Schönen Zeit“ besser aus als die Kunst. Heiter, beschwingt sollte das Leben sein. Und so ist es kein Wunder, dass sich der Jugendstil, den unsere französischen Nachbarn als Art Nouveau bezeichnen, floral, ornamental, mit klarer geschwungener Linienführung und oft mit leuchtenden Farben präsentiert. Gibt es zu dieser Lebenseinstellung ein passenderes Getränk als Champagner? Wohl kaum!
Nirgendwo sonst auf der Welt kann man diese Marriage von Art Nouveau und Champagner intensiver erfahren als im Maison Belle Époque in Epernay. Das Champagnerhaus Perrier-Jouët, dem das Belle Époque gehört, steht für Champagner vom Feinsten und die wohl beeindruckendste, private Art Nouveau Sammlung Frankreichs. Das Maison Belle Époque ist eines der vielen repräsentativen Gebäude in der Avenue de Champagne und von außen bei weitem nicht das größte oder imposanteste. Beim Maison kommt es vor allem auf das Innenleben an.
Das Maison wurde Ende des 18. Jahrhunderts als Herrenhaus gebaut. 1811 heirateten Pierre-Nicolas Perrier und Rose-Adélaïde Jouët und begründeten damit das Champagnerhaus Perrier-Jouët. Seit 1850 ist das Maison der Wohnort der Familie und der Stammsitz des Champagnerhauses. Über die Jahre wurde das Gebäude den Bedürfnissen der Familie und des Geschäfts angepasst und umgebaut. Heute, nach über zweijähriger Planung und Bauzeit, zeigt es sich wieder mit dem Charme seiner frühen Tage, außen von schlichter Eleganz und innen von Licht durchströmter Klarheit. Mit einer Sammlung französischer Art Nouveau von exquisiter Schönheit: Möbel, Türen, Plastiken, Glas, Gemälde – Emile Gallé, Raoul Larche, Auguste Rodin, Henri de Toulouse-Lautrec und andere. Über 200 Stücke, die zum französischen Kulturerbe gehören.
Durchgeführt hat die Renovierung das Architekturbüro Gaia Design Paris für MMPJ (Martell Mumm Perrier-Jouët), dem für Cognac und Champagner zuständigen Bereich des Wein- und Spirituosenkonzerns Pernod Ricard. Mit geplant hat auch Axelle de Buffévent, die Directrice de Style bei MMPJ. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Kunstwerke stehen nicht in Vitrinen aus Panzerglas oder in Zimmern, die man nur hinter Absperrungen aus Seilen bewundern darf. Sie sind harmonisch überall in allen Zimmern des Maison integriert, an der Wand, auf Simsen. Das Interieur wird tatsächlich benutzt, in den original Jugendstilbetten der sechs Gästezimmer kann man tatsächlich übernachten. Das Maison wirkt dadurch sehr lebendig, überhaupt nicht museal, zumal die Kollektion der Zeit von Axelle de Buffévent ergänzt wurde durch moderne Stücke mit einer heutigen Interpretation des Jugendstilgedankens.
Hinter dem Maison schließt sich eine sehr kleine Parkanlage an. Früher war das Grundstück einmal deutlich größer, es reichte über 200 Meter weit bis an die Marne. Essentiell, denn ehe es ein asphaltiertes Straßennetz oder gut ausgebaute Bahnverbindungen gab, fand der Transport des prickelnden Vergnügens überwiegend auf Flüssen und Kanälen statt. Das Maison war eben nicht nur gepflegte Wohnung, sondern auch Produktionsstätte und Büro eines florierenden Unternehmens.
Das merkt man auch heute noch, wenn man in die Keller unterhalb des Maisons hinabsteigt. Die Kellergewölbe reichen drei Stockwerke tief, wobei nur die beiden oberen genutzt werden, denn das dritte, tiefste ist zu nass. In den Kellern lagern die flüssigen Schätze, z.B. über 6000 Magnumflaschen Belle Époque des Jahrgangs 1999 und das Champagnerarchiv von Perrier-Jouët, das bis 1825 zurück reicht.
Aber selbst in den Kellern lässt einen die Kunst nicht los. Ob es nun die einfachen Graphitizeichnung der Arbeiter aus über 200 Jahren sind oder die beeindruckende Installation „Lost Time“ von Studio Glithero, Kunst ist bei Perrier-Jouët ein beständiger Begleiter.
Perrier-Jouët hat zwei Champagnerlinien: Die Non-Vintage-Champagner und die Belle Époque Linie der Jahrgangs-Champagner. Der Grand Brut, der Belle Époque, der Blason Rosé und der Belle Époque Rosé sind klassische Cuvées aus Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay. Der Blanc de Blancs und der Belle Époque Blanc de Blancs bestehen zu 100% aus Chardonnay. Perrier-Jouët war das erste Champagnerhaus, das den Jahrgang auf der Flasche angab. Alle Perrier-Jouët-Champagner sind brut. Hervé Deschamps, dem Kellermeister, stehen Trauben aus den besten Grand Cru Lagen der Champagne in Cramant und Avize (Côte des Blancs), Mailly (Montagne de Reims), Aÿ und Dizy (Vallée de la Marne) zur Verfügung.
In den über 200 Jahren seit dem Bestehen von Perrier-Jouët gibt es gerade mal sieben Kellermeister. Soviel Konstanz gepaart mit dem besten zur Verfügung stehenden Material zahlt sich aus. Best Wine of the World Competion, bei der tausende von Konsumenten und Weinprofis weltweit abstimmen, führt zwei Perrier-Jouët-Champagner unter den Top 20 Champagner, den Blanc de Blanc NV und den 2008er Belle Époque [1].
Die Flaschen der Belle Époque Champagner sind ein echter Hingucker. Jede Flasche ziert die wunderschöne, dekorative japanische Anemone, die der wohl bekannteste französische Glas- und Keramikkünstler der Art Nouveau, Émile Gallé, für Perrier-Jouët 1902 gezeichnet hat.
Natürlich kann man Champagner auch solo genießen, aber stilvoller als in Gesellschaft von vinophilen Gleichgesinnten und in Anwesenheit des Kellermeisters Hervé Deschamps und der Directrice de Style Axelle de Buffévent im Maison Belle Époque mit begleitenden Champagnern zu dinieren, geht wohl nicht. Wie überhaupt Champagner als Essensbegleiter viel zu selten eingesetzt wird, obwohl er hervorragend zu vielen Gerichten passt. Auch dafür ist das Maison bestens ausgestattet. Mit Joséphine Jonot hat es seine eigne Köchin, die jedes Menü mit dem Kellermeister Hervé Deschamps auf die Champagner abstimmt.
Es gibt einen Wermutstropfen im Champagnerglas: In den Genuss dieses Erlebnisses kommt man nur auf Einladung, denn das Maison Belle Époque ist nicht frei zugänglich. Das ist kein Wunder, denn das freizügige Konzept, Kunstwerke dieser Kategorie offen in ein tatsächlich genutztes Ensemble zu integrieren, handwerklich einmalige Jugendstilmöbel, Tische, Stühle, Betten tatsächlich zu nutzen, kann nicht mit einem großen Besucherstrom in Einklang gebracht werden. Epernay, Reims, die kleinen, schmucken Dörfer und die herrliche Landschaft der Champagne sind allerdings auch so immer eine Reise wert.
Text und Fotos: VINOSITAS Joachim A. J. Kaiser
Information: Die Fotos entstanden im Rahmen einer von Perrier-Jouët organisierten Pressereise am 13. und 14. September 2017. Reisekosten wurden von Perrier-Jouët erstattet, Übernachtung und Champagner-Menü im Maison Belle Époque waren kostenlos.
[1] Newsletter from Tastingbook / Best Wine of the World Competition vom 01.10.2017