Moldawiens goldener Schatz


Moldawiens goldener Schatz

„Wir haben auch eine große Sammlung gereifter Weine“ sagt Alina, die bildhübsche Repräsentantin des Weinguts auf dem nationalen moldawischen Weinfest in Chişinău als sie merkt, dass die bisher präsentierten, überwiegend jungen Weine mir nicht wirklich zusagen.

„Trocken, weiß?“ frage ich hoffnungsvoll nach.

„Ja, auch. Möchten Sie bei uns eine Verkostung machen?“

Mein Jagdinstinkt ist nun voll erwacht, bin ich doch auf der Suche nach Moldawiens goldenem Schatz: Gereiften, trockenen Weißweinen. Wir vereinbaren einen Termin im Weingut Cojuşna in den nächsten Tagen.

Diesem Schatz bin ich eher zufällig auf die Spur gekommen. In einem Restaurant in Chişinău hat uns ein freundlicher Kellner auf die Frage nach älteren Jahrgängen gleich einen ganzen armvoll staubiger Flaschen aus dem Keller angeschleppt. Fast alles gesprittete Süßweine, für die Moldawien bekannt ist, aber eben auch ein trockener Weißwein eines nicht mehr identifizierbaren Weingutes aus dem Jahr 1978. Bereits der erste Schluck hat mich elektrisiert. Mir ist klar, dass ich einen mir bis dahin vollkommen unbekannten Weinstil im Glas habe: Ein nussiger, fein kräuterwürziger Wein mit eher oxidativer, an Vin Jaune erinnernder Stilistik, strohtrocken und, ganz besonders erstaunlich, vom Alkoholgehalt her ein echtes Leichtgewicht. Der Wein war zwar nicht mehr wirklich auf der Höhe. Aber für seine 29 Jahre war er noch noch erstaunlich frisch und passte prima zu traditioneller moldawischer Küche, Tocana mit Mamliga, Schweingeschnetzeltem mit Maispolenta.

Das Weingut Cojuşna entpuppte sich als eine Enttäuschung. Verkostet wurde lediglich ein Wein, den man als gereiften, trockenen Weißwein durchgehen lassen  konnte. Ein 1996 Feteasca alba (9 – 12 % Alkohol), mit viel gutem Willen noch so eben trinkbar. Auch in diesem Weingut war der gereifte, gesprittete Süsswein, wie so oft in Moldawien, der beste Wein (1979 Aurvin Traminer).

Fündig geworden sind wir letztendlich bei den großen staatlichen Weingütern:
Cricova, Hinceşti und insbesondere Mileşti Mici haben in ihren riesigen, Kilometer langen unterirdischen Kalksteinkellern noch Bestände an gut gelagerten, gereiften Weinen. Ausgezeichnet war z.B. der 1991er Aligoté Collection M. M., im großen Holzfaß gelagert und erst 2007 abgefüllt auf Flaschen:

Goldgelb im Glas, feiner gelbfruchtiger und sehr, sehr dezenter Duft nach Zedernholz, im Mund ebenfalls deutlich gelbfruchtig mit erkennbarer, aber nicht dominater Säure, dezente feine Bitternote, filigran, transparent, fast elegant in seine Leichtigkeit (nur 10 % Alkohol), leicht oxidativ wirkende Anklänge, aber ohne jegliche Firne, erstaunlich lang im Abgang für einen derart leichten Wein.

Mileşti Micis Bestände an gereiften Weinen reichen bis ins Jahr 1968 zurück. Sie sind vom Alter her nicht mit der bis 1902 zurückreichenden Sammlung von Cricova zu vergleichen. Allerdings sind in Mileşti Mici noch so große Bestände vorhanden, dass gelegentlich ganze Posten abgefüllt und ins Ausland zu guten Preisen verkauft oder sogar versteigert werden. Im Weingut Hinceşti wird diese Weintradition auch heute noch gepflegt. Im Sortiment finden sich erstaunlich viele junge und einige Jahre alte Weißweine mit nur 10,5 % Alkoholgehalt. Selbst Reserveweine haben selten mehr als 12 %.

Für Weinliebhaber, die das Ungewöhliche suchen, lohnt es sich also nach moldawischen Weinen Ausschau zu halten, auch wenn man sie selten in Westeuropa findet.

 

Fakten zur Republik Moldau (Moldawien)
Fläche: 33843 km2, entspricht der Größe von Nordrhein-Westfalens
Einwohner: 3,3 Millionen, 1 weitere Mill. lebt und arbeitet im Ausland
Geographie: 48º21´ – 46º 25´ N, 26º30´ – 30º 05´ E,  geogr. auf der Höhe von Burgund,  Hügelland 30 – 429 m ü. M.
Böden: Überwiegend Schwarzerde (80 %) über Kalkgestein, Braunerden, alluviale Böden
Klima: kontinental, Sommertemperatur 20 – 22 °C, Wintertemperatur minus 5 – minus 30 °C, Wärmesumme 2750 – 3350 °C, Niederschläge 400 – 550 mm
Rebfläche: 220000 ha (1960), 153000 ha (2004), 158600 ha (2007)
Weiße Rebsorten: 2/3
Rote Rebsorten: 1/3
Weinproduktion: 252 Millionen Liter (2005)
Exportquote: 82 % (2005)

Text und Fotos: Joachim Kaiser