DAS FEST – Aufwärts im Rheingau


Unter diesem Motto hatten Christian Ress und Dirk Würtz zu einer Verkostung Rheingauer Großer Gewächse des VDP am 28. Januar 2016 in die WineBANK eingeladen.

Es war nach 2015 das zweite FEST und es ist ohne Zweifel die beste Veranstaltung, um sich sowohl einen informativen als auch genussvollen Überblick über die Rheingauer Spitzenweine zu verschaffen. Zumal man nicht nur die aktuellen VDP.GGs, also den Jahrgang 2014, sondern parallel dazu auch den Jahrgang 2013 verkosten konnte. Beim FEST 2015 standen die Jahrgänge 2012 und 2013 an. War man beim Fest 2015 dabei, konnte man also für den Jahrgang 2013 unter nahezu identischen Bedingungen sehr gut sehen, ob man mit seiner Prognose richtig lag.

Hinzu kamen gereifte trockene und süße Preziosen, diesmal zurück bis 1992, die das Reifepotential Rheingauer Weine zeigen. Außerdem waren nahezu alle anstellenden Winzer auch persönlich anwesend. Eine bessere Gelegenheit, um sich in einer entspannten Atmosphäre zu unterhalten, gibt es wohl kaum.

Zum genussvollen Gelingen haben Gabi Würtz und ihr Sohn Daniel wesentlich durch das hervorragende 5-Gang-Flying-Dinner beigetragen. Hervorragende Küche, aufmerksamer, unaufgeregter Service, perfekt!

Die Stimmung war gut und so wundert es in Zeiten von Smartphones nicht, dass die ersten Fotos und Kommentare schon auf facebook auftauchten, während das FEST noch lief. Einge Tage später veröffentlichte Carsten Stammen auf seinem VinoBlog einen umfangreichen, informativen und gut geschriebenen Artikel über das Fest: Rheingau flussabwärts.

Viel wurde also schon über das FEST gesagt und geschrieben. Ich möchte mich deshalb dem FEST aus einem Blickwinkel nähern, aus dem es bisher nicht betrachtet wurde:

Welche Bedeutung hat das FEST für den Rheingau?

Das Fest ist KEINE Veranstaltung des VDP.Rheingau, obwohl nur VDP-Weingüter ihre Großen Gewächse und andere Weine präsentierten. Zweifelsohne hat der Rheingau auch ohne den VDP einen Ruf. Das Rheingauer Gourmetfestival, das 2016 seinen 20. Geburtstag feiert und das vom Weingut Breuer, ehemaliges VDP-Mitglied, mit initiiert wurde, sowie das Rheingauer Musikfestival haben internationale Bedeutung. Damit wird einerseits klar, das Renommee des Rheingaus mit dem VDP gleichzusetzen, geht nicht. Andererseits geht es auch nicht, das Renommee des Rheingauer Weins zu betrachten, ohne den VDP zu berücksichtigen.

In der Broschüre zum FEST 2015 kann man lesen: “„Aufwärts im Rheingau!“ … DAS war und ist unser ernst gemeintes Motto, seit wir uns in einer kleineren Gruppe regelmäßig treffen … Wir haben uns vor drei Jahren zusammen gefunden, um miteinander zu diskutieren. Um eine Art Bestandsaufnahme zu machen und um mitzuhelfen, dass in der letzten Zeit doch leider arg ramponierte Image des Rheingaus zu renovieren.

In der Broschüre zum FEST 2016 klingt das schon viel selbstbewußter: “Es ist viel passiert in den letzten Jahren hier in der Region … Die großen Adelsgüter, die Motoren der Weinqualität und Garanten des Images über Jahrhunderte hinweg, bekamen Gesellschaft in Form von „bürgerlichen“ Gütern wie Weil, Kesseler, Spreitzer, Kühn, Leitz und Künstler … Herausgekommen ist eine fantastische Dynamik und eine neue Form des kollegialen Miteinander, die im Wesentlichen auf einem permanenten Austausch beruht.

Bereits 2012 hatte ich mich in meinem Blog mit der Zukunft des Rheingaus beschäftigt: Rheingau wohin?
Seither, in nur dreieinhalb Jahren, hat sich tatsächlich sehr viel getan. Zu verdanken ist diese Dynamik ganz wesentlich dem Team Dirk Würtz und Christian Ress. Sie haben einen Enthusiasmussturm im Rheingau entfacht, der hoch ansteckend wirkte und immer noch wirkt. Ihr Credo:

Qualität, Qualität und nochmals Qualität!
Habt Spaß, viel Spaß, und zusammen macht es noch sehr viel mehr Spaß!
Und, traut Euch was, macht Weine mit Charakter, macht auch Unikate abseits des Mainstreams, Ecken und Kanten sind sexy!

Fünf Punkte hatte ich 2012 aufgeführt. Hier sind die ersten beiden:

  1. Auf die Spitze kommt es an: Solange die Großen Güter nicht den Willen zur absoluten Spitzenqualität haben, solange sie halbwegs zufrieden mit den Verkaufszahlen sind, wird sich nichts ändern.
  2. Die Rheingauer Spitze muss an einem Strang ziehen, was Qualitätsziele und Selbstdarstellung nach außen betrifft und die Großen müssen dabei sein.

Betrachten wir die Fakten: Der VDP.Rheingau hat zur Zeit 37 Mitglieder. Sowohl 2015, als auch 2016 waren davon 20 auf dem FEST anwesend, 19 davon beide Male, Jost (2015) und Allendorf (2016) nur jeweils in einem Jahr. Das ist mit 54% immerhin die Mehrheit aller VDP.Rheingau-Mitglieder. Man könnte sie auch als die Koalition der Willigen bezeichnen. Und das ist schon sehr beachtlich, wenn man die unterschiedlichen Größen, wirtschaftlichen Interessen und Ausrichtungen der Weingüter betrachtet. Mit Schloss Johannisberg, von Mumm, Schloss Vollrads und von Knyphausen waren auch wichtige ‘adelige‘ Traditionsweingüter vertreten, wenngleich die bürgerliche Fraktion eindeutig die Oberhand behielt. Bei der bürgerlichen Fraktion waren nahezu alle dabei, die Rang und Namen haben. Lediglich Breuer fehlte, aber das Weingut ist ja kein VDP-Mitglied mehr. Bei den ‘adeligen‘ VDP-Traditionsweingüter klafft dagegen eine erhebliche Lücke, Prinz von Hessen und Hessisches Staatsweingut, um nur zwei zu nennen. Auch andere große ‘adelige‘ Nicht- oder Nicht-Mehr-VDP-Mitglieder fehlen, Schloss Rheinhartshausen und Schloss Schönborn. Warum diese beiden fehlen, hat allerdings nachvollziehbare Gründe.

Auch beim Thema Qualität hat sich einiges getan. Nirgendwo wird das so deutlich, wie bei der gesamten Kollektion von Schloss Vollrads. Nachdem Dr. Hepp das Ruder übernommen hatte, stand zunächst mal die Sanierung der desolaten wirtschaftlichen Situation im Vordergrund. Auch qualitativ war Vollrads gegen Ende der Ägide von Graf Matuschka-Greiffenclau ziemlich heruntergekommen. Unter Dr. Hepp stieg die Qualität wieder an, gute Weine, qualitativ allerdings nach wie vor deutlich unter ihren Möglichkeiten. In den letzten drei Jahren dagegen war ich positiv überrascht sowohl von der gesamten Kollektion (soweit ich sie probiert habe) inklusive des Großen Gewächses. Auch das zuletzt verkostete 2014er VDP.GG von Vollrads ist zwar nicht der Rheingauer Leuchtturm, aber im Konzert der anderen Rheingauer VDP.GGs muss es sich kein bisschen schämen!

Wie ernst gemeint Qualitätsstreben ist, kann man auch daran erkennen, wie die Basisweine beschaffen sind. Schloss Johannisberg hatte bei seinen Top-Weinen nie eine wirklich anhaltende Schwächephase. Der offene Wein, den man noch vor einigen Jahren in der Gutsschänke serviert bekam, war sauber, aber nicht wirklich erwähnenswert. Heute bekommt man nicht einfach einen sauberen, sondern einen guten bis sehr guten Wein ins Glas. Eine höchst erfreuliche Entwicklung, die seit fünf Jahren anhält!

Derzeit am kompromislosesten setzt wohl Achim von Oetinger den Qualitätsgedanken um. Er macht Weine von strahlender Klarheit, mit Ecken und Kanten, aber auch mit einem großem Reifepotential. Seine VDP.GGs aus 2013 und 2014 werden erst in ein paar Jahren offenbaren, was wirklich in ihnen steckt.

Auch insgesamt war das Niveau der angestellten Großen Gewächse ziemlich homogen und sehr hoch. Von den üblichen Verdächtigen Künstler, Weil, Jung, Kühn, Leitz und seit ein paar Jahren Ress erwartet man nichts anderes. Aber auch die allermeisten Weine der anderen Weingüter sah ich weit überwiegend bei oder über der Messlatte von 90/100. Das war und ist bei den VDP.Großen Gewächsen nicht immer so. Auch im Rheingau gab es GGs, die ich spöttisch als Großes Gewäsch bezeichnet habe. Die von Dirk Würtz und Christian Ress initierte gruppenintere Dynamik, die sich letztendlich im FEST als sichtbares Zeichen repräsentiert, hat ganz offensichtlich Früchte getragen.

Die drei weiteren 2012 von mir aufgeführten Punkte lassen sich nicht so eindeutig beurteilen:

  1. Die Rheingauer Spitze muss sich eindeutig positionieren: Ohne eine klare Identität und ohne ein klares Profil geht nichts. Weine aus dem Rheingau müssen als authentisch wahrgenommen werden.
  2. Das Feld hochwertiger deutscher Riesling mit harmonische Süße ist durch die Mosel besetzt. Ob nun durchgegoren trocken oder Rheingau dry, der Rheingau muss sich als die Weinbauregion des trockenen deutschen Weißweins präsentieren: Dry red – Bordeaux, Dry white – Rheingau muss das Ziel sein.
  3. Die Rheingauer Spitze muss als tatsächliches High-End der Weißweinwelt wahrgenommen werden. Der Rheingau braucht zumindest ein international überragendes Leuchtfeuer: Wo ist der G-Max des Rheingaus?

DEN Rheingauer Leuchturm-Wein gibt es nach wie vor nicht. Je nach Jahrgang ragt mal der eine oder andere Wein heraus. Oder es gibt gleich mehrere tatsächlich GROSSE Weine. Und mit GROSS meine ich groß im internationalen Sprachgebrauch, also 95/100 und darüber. Das ist eine Entwicklung, die auch in anderen Regionen in den letzten Jahren ganz ähnlich verlaufen ist. Es sind meist junge, ergeizige Protagonisten auf die Bühne getreten, die dem Einen den Rang streitig machen. Das signifikanteste Beispiel ist sicher Rheinhessen. Keller mag mit dem G-Max nach wie vor die höchsten Preise erzielen, qualitätiv haben aber Weingüter wie Wittmann, Kühling-Gillot und Battenfeld-Spanier nachgezogen und in machen Jahren sind sie sogar besser.

Eine eindeutige Positionierung des Rheingau als DIE Spitze des trockenen Weißweins national und international ist nach wie vor nicht zu erkennen. Selbst innerhalb der angestellten VDP.GGs, also der trockenen Weißweinspitze, waren die Stile so unterschiedlich, wie sie nur sein können. Von schmelzig-charmant bis zu steinig-karg, von ordentlich Restzuckergehalten bis zu staubtrocken.

Mittlerweile stelle ich mir die Frage, ob eine derartig enge Positionierung, wie von mir 2012 als notwendig erachtet, wirklich wünschenswert ist, damit der Rheingau und seine Weine insbesondere international als authentisch wahrgenommen werden. Möglicherweise ist „Gemeinsamkeit in Vielfalt“ nicht nur die besser Zielvorstellung, sondern auch ein tragfähiges Motto für eine intensivere und sehr wünschenswerte Zusammenarbeit. Und zwar unabhängig davon, ob die Weingüter im VDP oder nicht im VDP sind.

Fazit: Zwar ist noch Luft nach oben vorhanden, insgesamt aber kann man sagen, dass der Rheingau mit der dem FEST zugrundeliegenden Dynamik einen gewaltigen Sprung nach vorne in Sachen „an einem Strang ziehen“ und aufwärts in Sachen „Qualitätsstreben“ gemacht hat. Rheingau weiter so!

Text und Fotos: Joachim A. J. Kaiser